Psalter im Druck - Psalter
- Psalter
- Psalter im Druck
| Der Psalter im Druck | |
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Vor einem Setzregal stehend, entnahm ein hochqualifizierter Handwerker (der Setzer) dem Setzkasten die Lettern, stellte sie zu den Zeilen einer Seite zusammen und schoss sie in einem rechtwinkligen Rahmen (der Druckform) aus, um diese anschließend auf die glatte und ebene Platte (das Fundament) des auf Schienen laufenden Karrens zu legen. Im eigentlichen Druckprozess wurde die Oberfläche der Form von einem ersten Handwerker (dem Ballenmeister) mittels Druckerballen eingeschwärzt. Ein zweiter Handwerker (der Pressmeister) spannte währenddessen einen Papierbogen in den Rahmen, der sich aus dem mit einem Pergamentblatt oder einem Filztuch gefütterten Deckel und Rahmen zusammensetzte. Er schob den Karren unter die Presse, zog mit einer ruckartigen Bewegung am Pressbengel und drückte so die waagerechte Pressplatte (den Tiegel) auf den Deckel. Dabei senkte sich diese über die Pressspindel, mit der sie verbunden war, auf das Blatt Papier ab. | ||
Durch den Druck, den der Tiegel auf die Form ausübte, nahm der Papierbogen den Abdruck der Lettern an. Die Papierbögen wurden abgezogen, zum Trocknen aufgehängt und schließlich zu Lagen gefalzt. So lässt sich kurzgefasst der Druck mit beweglichen Lettern beschreiben, der in Mainz um die Mitte der 1450er Jahre von Johannes Gutenberg (um 1400-1468) erfunden wurde und bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch blieb.
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Nach einer mehrjährigen Versuchsphase gelang es Gutenberg, die neue Technologie für die Herstellung einer Bibeledition in zwei Bänden zu nutzen. Er fertigte die Zweiundvierzigzeilige Bibel, so genannt nach der Anzahl von Zeilen des in zwei Kolumnen gegliederten Textes. Die zwischen 158 und 180 hergestellten Exemplare wurden zum Preis von 42 Goldgulden auf den Markt gebracht und versetzten die Zeitgenossen in Staunen und Bewunderung.
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Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., nahm im Herbst 1454 am Reichstag zu Frankfurt teil und schrieb einige Monate später dem befreundeten Kardinal Juan de Carvajal: «Non vidi biblias integras, sed quinterniones aliquot diversorum librorum mundissimae ac correctissimae litterae, nulla in parte mendaces, quos tua dignatio sine labore et absque birillo legeret.» («Ich habe zwar keine vollständigen Bibeln gesehen, jedoch einige Quinternionen von verschiedenen Büchern, deren Schriften sehr elegant und korrekt waren, nirgends täuschend, sodass Euer Ehrwürden sie mühelos ohne Brille hätten lesen können»).
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| Der Druck mit beweglichen Lettern revolutionierte die Art, schriftlich zu kommunizieren, denn er beschleunigte die Produktion von Büchern. Damit die Erzeugnisse der Druckerwerkstätten aber zum Medium einer neuen Schriftkultur werden konnten, musste das Buch eine Handelsware sein und die Drucker standen vor der Aufgabe, sich zu Unternehmern zu entwickeln. | |
Das Potential des gedruckten Buches als Produkt für internationale Absatzmärkte war bereits im Verfahren seiner Herstellung angelegt. Da die Materialkosten hoch waren, konnten die Gesamtherstellungskosten geringer gehalten werden, je höher die Auflage einer jeden Druckseite war. Um das Produkt rentabel zu machen, musste jedoch ein rascher Absatz gewährleistet sein. Man vermied Lagerbestände und druckte stattdessen ein Werk lieber nach, sollte es vergriffen sein. Diese Produktionslogik zielte also auf der einen Seite auf eine Senkung der Herstellungskosten und auf der anderen Seite auf eine Erweiterung der Kundschaft ab. Da bis ins 19. Jahrhundert keine bedeutsamen technologischen Verbesserungen erreicht wurden, lagen die Möglichkeiten zur Profitsteigerung einzig in der Prozessoptimierung innerhalb der Druckerwerkstätten – zur Herstellung seiner Bibel hatte Gutenberg ganze drei Jahre gebraucht – sowie vor allem im Zugang zu einem möglichst effizienten Distributionsnetzwerk.
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Zu den frühen Druckern, welche technische Fertigkeiten mit unternehmerischem Denken und Handeln verbanden, gehörte Peter Schöffer (ca. 1425–1503). Er war ein begnadeter Kopist und Kalligraph, hatte eine gute universitäre Ausbildung im Fach Theologie erhalten, ehe er ab 1452 an der Seite von Gutenberg an der Herstellung der gedruckten Bibel mitarbeitete. Zunächst als Meisterschüler Gutenbergs, später als selbstständiger Drucker, zeigte Schöffer eine außerordentliche künstlerische Begabung, vor allem im Zeichnen, Schneiden und Gießen der Drucklettern, welche in den ersten Jahrzehnten der Ästhetik der Schrift mittelalterlicher Manuskripte angepasst wurden.
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Als Gutenberg 1455 Konkurs anmelden musste, übernahm Schöffer ‒ gemeinsam mit dem vermögenden Anwalt und Geschäftspartner Johannes Fust, der zuvor Gutenbergs Unternehmen finanziert hatte ‒, dessen Werkstatt und Gerätschaften. Hier vollendete er am 14. August 1457 den ersten Psalter in der Geschichte des Buchdrucks, das Psalterium Moguntinum, den Mainzer Psalter. Der Mainzer Psalter umfasst 175 Blatt, die mit mehr als 520 verschiedenen Typen gedruckt wurden, teilweise unter Wiederverwendung der Lettern, die Schöffer für Gutenberg gegossen hatte. Diese Psalter-Edition, von der sich nur 32 Exemplare bzw. Fragmente in öffentlichen Einrichtungen erhalten haben, weist zum ersten Mal einen mehrfarbigen Druck in Schwarz, Rot und Blau auf. Weil er das gedruckte Buch benutzerfreundlicher gestalten und ein handwerkliches Erzeugnis anbieten wollte, welches den von Hand rubrizierten Kodizes an Eleganz und Ästhetik gleichwertig sein sollte, wandte Schöffer das Druckverfahren mit beweglichen Lettern nicht nur bei der Reproduktion des Fließtextes an, sondern auch bei all jenen Teilen, die in der handschriftlichen Tradition den Rubrikatoren überlassen worden waren. Diese hatten die Majuskeln in Buchüberschriften oder die Initialen am Beginn von Kapiteln und Abschnitten in roter Tinte eingefügt. Die nun in Königsblau und Kardinalrot gehaltenen Lombard-Unzialen steigerten zwar auf der einen Seite die Herstellungskosten des Mainzer Psalters, machten ihn auf der anderen Seite aber zu einem der erlesensten Frühdrucke des 15. Jahrhunderts. | ||
Während seiner etwa fünfzigjährigen Tätigkeit als Drucker, Buchgestalter, Verleger und Buchhändler druckte Schöffer ungefähr 250 Inkunabeln und verkaufte diese auf den Märkten in Frankfurt und Paris. Dank seines im Vergleich zu Gutenberg stärker ausgeprägten Geschäftssinns erkannte Schöffer die Notwendigkeit, die Unterscheidung von gedruckten und handgeschriebenen Büchern zu markieren und den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Am Schluss des Mainzer Psalters fügte er daher erstmals seit Erfindung des Buchdrucks ein mit roter Tinte gedrucktes Kolophon ein. Neben Datum und Erscheinungsort enthielt dieses Angaben zur Drucktechnik, außerdem seinen Namen und den des Geschäftspartners Johannes Fust in ihrer Funktion als Drucker. Komplettiert wurde das Ganze mit ihrer individuellen Druckermarke. |